Anlässlich des "Erzähl-ein-Märchen"-Tags habe ich hier meine liebsten Mikro-Märchen für dich. Viel Spaß!
Geh zum Teufel
Da standen sie im großen Thronsaal, König, Königin, der ganze Hofstaat, und natürlich die Prinzessin und der hergelaufene Bursche, in den sie sich hatte verlieben müssen und den sie zu ihrem
zukünftigen Prinzgemahl auserkoren hatte.
Der Vater war, gelinde gesagt, nicht besonders angetan.
„Den willst du haben?! Im Leben nicht!“, tobte er und ließ sich nur mit Mühe von seiner Frau beruhigen.
„Max ist voll nett! Und wir lieben uns!“, beteuerte das Mädchen.
Max grinste charmant. Er hatte keine Angst vor einem erzürnten König.
„Voll nett! Wenn ich das schon höre!“, regte sich dieser erneut auf. „Dann ist er vielleicht so nett und geht zum Teufel!“
„Wilhelm!“, rügte ihn die Königin, und der gesamte Hofstaat hielt den Atem an.
„Was? Soll er doch zum Teufel gehen und mir drei goldene Haare von dessen Schopf bringen, dann kann er von mir aus die Prinzessin heiraten!“
„Einverstanden“, erklärte Max frohgemut, drückte seiner Liebsten einen dicken Kuss auf den Mund und begab sich schnurstracks auf den Weg.
Den kannte er nur zu gut, und noch manch anderes Geheimnis.
Durch Wälder und Felder, über Berge und Täler ging es, und sein Herz hüpfte dabei vor Freude.
Endlich gelangte er an die Höllenpforte und läutete.
Es dauerte etwas, doch dann öffnete sich die Tür einen Spalt breit, und der goldene Schopf des Teufels kam zum Vorschein.
„Max!“, rief der Höllenfürst sogleich. Hocherfreut sperrte er die Tür ganz auf.
„Hallo Papa“, antwortete der Bursche strahlend und trat ein.
Drei Wünsche frei
Aschenputtel staunte nicht schlecht, als die erste Nuss geknackt war und ihr Wunsch seidenglänzend und perlenbestickt am Zweig des Haselstrauches hing – was für eine Robe!
Damit stahl sie allen die Show auf dem Ball, und natürlich wollte Prinz Frederick nur mit ihr tanzen!
Bald taten ihr die Füße ordentlich weh, und sie ging an die frische Luft, um sich auf die Treppenstufen zu hocken und die unbequemen Schuhe auszuziehen.
Und um die Ohren abzuschalten nach dem ganzen seichten Gelabere von diesem Weichei von Prinzen, und auch der Rest der aufgeblasenen Gesellschaft ödete sie zunehmend an.
Lange vor Mitternacht machte sie sich kurzentschlossen auf den Heimweg. Die blöden Pumps ließ sie stehen.
Nachdenklich wägte sie die zweite Nuss in der Hand – dann nickte sie und dachte ihren zweiten Wunsch.
Knack!
Im nächsten Moment hielt sie die Zusage der Fakultät für Jura an der Universität zu Heidelberg in den Händen nebst Stipendium für ein sorgenfreies Studieren.
Geil. Das hatte sie sich schon immer gewünscht!
Und so wurde aus ihr eine erfolgreiche Anwältin – Familienrecht, versteht sich – und sie führte ein glückliches und unabhängiges Leben bis ans Ende ihrer Tage.
Die dritte Nuss kam nie zum Einsatz.